Fidelitas Nachtlauf 23./24. Juni 2007

 

„Mein erstes Mal“      

oder wie aus einem Ersatzläufer ein begeisterter Staffelläufer wird

 Wer jetzt hofft, dass ich hier mit Parametern wie Etappenzeiten, Hoch- bzw.  Herzfrequenz, Wechselgeschwindigkeiten, Elastizität von Startbändern oder ähnlich Messbarem aufwarten werde, wird enttäuscht sein. Vielmehr schildere ich die unheimliche Wandlung vom Genussläufer (Definition Karsten: > 5 min/km) zu einem ambitionierten Läufer. 

Seit drei Jahren bin ich unregelmäßig bei den  regelmäßigen LT Laufterminen am Adenauer-ring. Dieses Jahr hat Harald meine Schwäche nicht „Nein zu sagen“ ausgenutzt und mich überredet, mich als Ersatzläufer für die LT Staffeln zum Fidelitas Nachtlauf aufstellen zu lassen. Meine Vorbehalte, eine einzelne Etappe wäre mir zu lang, und ich könnte eine Staffel ausbremsen, hat er psychologisch klug gekontert: „In mir stecke doch noch Potential“.

Wer kann  da noch widersprechen!

Als ergänzende Vorbereitung habe ich in den verbleibenden Wochen mit dem LT zwei „lockere“ Hügelläufe mit „interessanten“  Steigungen rund um den Turmberg absolviert. Ohne die Aussicht auf einen möglichen  Einsatz beim Nachtlauf hätte ich mich dazu nicht aufgerafft. Aber es hat sich wirklich gelohnt! Auf den Höhen wird man mit genussvollen  Landschaftspanoramen vom Kraichgau und Schwarzwald belohnt. Doch noch Genussläufer! Ich kann allen nur empfehlen, daran teilzunehmen; die Umgebung rund um Karlsruhe ist so schön.  

Der Starttermin rückte näher und näher. Die Staffeleinteilungen standen anderthalb Wochen vor dem Start so gut wie fest. Es war geplant, dass wir  Ersatzläufer eine eigene Staffel bilden sollten. Bei einem abendlichen Treffen im Cafe bleu haben Birgit & Claus, Klaus und ich Organisatorisches besprochen; die Chemie stimmte und wir waren alle guter Dinge, eine erfolgreiche Staffel aufzustellen. Offen blieb wegen der großen Distanz über 22,6 km, ob ich die vierte Etappe von Langenalb antreten würde. 

Eine Woche vor dem Nachtlauf sollte sich dies bei einem Orientierungslauf, der insbesondere für die Teilnehmer der letzten Etappe gedacht war, entscheiden.

Wir Läufer sind mit dem LT-Shuttel-Service  in der Nacht an der Wechselstelle in Langenalb abgesetzt worden. Im Auto lauter erfahrene Läufer. Ulrike und Birgit haben im Fond ihre bisherigen Bestzeiten ausgetauscht. Ich dachte mir im Stillen  „Mütze ab“, die sind ja richtig schnell. Ich habe lieber meinen Mund gehalten, konnte  ja mit Vergleichszahlen nicht aufwarten und wurde sowieso entgegen meinem Naturell  stiller und stiller je tiefer wir in das Albtal gefahren sind. Oben an der Wechselstelle schossen mir Gedanken durch den Kopf: Hast du dir vielleicht zu viel vorgenommen?

Aber es ging anfangs nur bergab und Monika hat uns auf der Originalstrecke bestens durch die Nacht geführt, auf  die Stellen aufmerksam gemacht, an denen man sich hätte verlaufen können. Die Generalprobe war gut gelaufen. Für mich stand ab Mitternacht fest:

„Ich bin bereit für die vierte Etappe!“

Ich glaube, ab diesem Zeitpunkt war das Staffelfieber bei mir ausgebrochen.

Die Woche vor dem Nachtlauf war noch mal richtig turbulent. Durch Ausfälle in den anderen Staffeln, rochierten  einzelne Staffelläufer wie Schachfiguren. Am Ende fand ich mich in der LT-Staffel Nr. 9. Der Zufall wollte es, dass ich jetzt mit Ulrike, Birgit und Rüdiger lief. Die Messlatte hing über Nacht plötzlich höher; das konnte ja heiter werden!     

Heiter wurde es auf alle Fälle. Die Feinabstimmung, wer wann, wie und wo sich trifft, haben wir durch regen Email-Verkehr geregelt. Birgits Emails waren die hellste Freude.

Endlich war es soweit! Bis auf Birgit, die bereits am ersten Wechsel in den Startlöchern stand, waren wir im Stadion. Alle waren dental gut drauf, und wir von der LT feuerten beim Start unsere Einzel- und 10 Staffelläufer an.

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Anschließend machte ich mich zur ersten Wechselstelle auf, um Birgit noch tatkräftig zu unterstützen. Den Wechsel hatte ich verpasst, da Rüdiger so/zu schnell unterwegs war und er sie bereits auf die Strecke geschickt hatte. Im Kopf liefen nun Hochrechnungen ab. Falls alle schneller wären wie prognostiziert, müsste mich Bettina eine halbe Stunde früher  wie vereinbart zur Wechselstation fahren. Just in time wurde dies noch geändert. Das war gut so, denn all meine Vorläufer waren tatsächlich schneller wie erwartet. Es blieb keine Zeit zu verweilen, geschweige denn wie Eric eine Portion Calamaris einzuwerfen. Knapp nach 22 Uhr kam Ulrike ums Eck „geschossen“. Mein Blick war nur noch auf die Startnummer 333 fokussiert. Im nu war das Startnummernband an mir und ab ging die Post.

 

Bis Marxell lief alles am Schnürchen. Es war noch einigermaßen hell und die Gravitation tat ihr übriges. Lediglich beim Richtungswechsel auf der Querspange im Wald von Langenalb musste ich aufpassen, nicht mit allen Fünfen flach im Matsch zu landen.

An der alten Mühle der erste Applaus, der einen beschwingter zur ersten Wasseraufnahme an der Verpflegungsstation schreiten ließ. Ab jetzt ging es mit Abblendlicht weiter. Bis zur nächsten Verpflegungsstation habe ich kaum Läufer gesichtet. Habe mir Gedanken gemacht, ob dies am Albtalnebel liegt oder meine Vorläufer mich in ein Zeitloch  gehoben haben, wo andere und ich keine Chance haben, jemanden zu überholen.

An der Verpflegungsstation  Fischweier war der herzlichste Empfang. Ich hatte den Eindruck: „Die wollen mich über die Straße geleiten oder noch kurz einen Zebrasteifen für mich auf die Straße pinseln.“  Schade, man hatte gar keine Zeit, sich hier einen Überblick über die Verpflegung zu machen.

Der nächste Abschnitt verlief  recht öde. Zum Glück musste man sich auf das Ausweichen um Wasserpfützen konzentrieren. Gar nicht so einfach bei tiefschwarzer Nacht. Ich dachte mir: „Viele Läufer sind bereits durch, da ich wenig Schnecken knacken musste.“  Trotzdem war ich bereits zusätzlich mit Rechnen beschäftigt, ob ich vor Mitternacht noch ins Stadion einliefe.

Den größten Applaus gab es bei der Verpflegungsstation auf der Höhe von Etzenroth. Der war auch nötig, um die anschließende „Steigung“ zu bewältigen. Als ich den Baum mit der 70km Markierung um 23:05 passierte, wusste ich, vor Mitternacht werde ich das Ziel erreichen. Der Baum verlieh einem nochmals Flügel; einen  voraus laufenden Läufer habe ich flugs noch überholen können; den hatte ich schon lange auf dem Kicker. Sein hin- und her schwingender  Lichtkegel hat mich ganz nervös gemacht. Wie kann man seine Lampe auch am Arm befestigen?

Bis Ettlingen konnte ich dann noch eine Läuferin mit Fahrradbegleitung  auf Abstand halten. Nach Rücksprache war sie mit 5’er Schnitt unterwegs. Auf Dauer einfach zu schnell für mich. Ich musste sie in Ettlingen erstmal ziehen lassen. Vorbei ging es an der Kirche und hörte hinter mir im holsteinischen Platt Ostsee-Thomas rufen: „Eh, LT, der sieht ja noch richtig gut aus.“

Das gab nochmals einen richtigen Motivationsschub. Oben am Kreisel an der B3 habe ich meine Vorläuferin wieder eingeholt. Im nachhinein tat der Zwischenspurt nicht gut, da sich jetzt meine Waden meldeten. Plötzlich hatte ich Sorge, dass mich Wadenkrämpfe befallen könnten. Daraufhin habe ich einen Gang zurückschalten müssen. Die letzte Verpflegungs-station sah ich bereits von weiten leuchten, aber ich hatte jetzt den Eindruck, der Abstand wird kaum kürzer. Hier habe ich nochmals in Ruhe Saft und Kraft getankt und einige Läufer haben mich überholt.

Der allerletzte Abschnitt lief dann wieder prima. Die Flutlichtanlage hat einen magisch angezogen. Meine Waden habe ich nicht mehr gespürt. Jetzt ging alles ganz schnell. Eine scharfe Linkskurve und ich befand mich plötzlich im Stadionrund. Nach kurzen Schlussspurt das Ziel  überglücklich erreicht. Geschafft!

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Gruppenbild Staffel 9 (links der strahlende Autor mit Stirnlampe)


Meine Vorläufer haben mich sogleich in Empfang genommen. Spannend soll ich es gemacht haben. Knapp eine Minute vor Mitternacht bin ich eingelaufen. Das nennt man Timing!

Im Zielraum herrschte tolle Stimmung. Dies lag nicht nur am Sekt, der da floss, sondern an unseren zwei LT-Staffeln, die auf die ersten Plätze kamen. Auch muss ich die tollen Leistungen unserer Einzelläufer und die der übrigen Staffeln einschließlich unserer Rennschnecken hervorheben. Die Begeisterung hielt noch lange an.

Ich kann allen empfehlen, an einem so tollen Laufwettbewerb teilzunehmen. Für mich steht bereits jetzt fest: „ Ich werde beim nächsten Fidelitas-Nachtlauf wieder antreten.“ Zwischenzeitlich, noch auf Wolke sieben schwebend, habe ich mich zu meinem ersten Halb-Marathon in Karlsruhe angemeldet.

Viele Grüße  Uwe M.

 

Danken möchte ich:

Rüdiger, Birgit, Ulrike              meinen schnellen Vorläufern

Bettina                                  die infolge Verletzung ausfiel und trotzdem uns

tatkräftig unterstützt hat

Melanie                                  für die ich einspringen durfte     (Erkältung überstanden?)

Birgit & Claus, Klaus               meine vermeintlich ersten Staffelläufer/in

Monika                                  die, die vierte Etappe mit uns Probe lief

Thomas von der Ostsee          Motivator

 

Karsten                                  Nachtlauf-Organisation

Harald                                    der mich überredete

LT –Orgateam                        ohne die dies nicht möglich wäre

allen LT-Läufern                      die aktiv und passiv mitgewirkt haben 

           

und last but not least allen Läufern, die mich überholen ließen, Danke!

 

 

 

 

Zum Schluss doch noch nackte Zahlen:

 

Start-Nummer 333 gesponsert von Rotkäppchen-Sekt

           Namen                                            Verein                         Zeit

           Haas-Kaiser-Plattner-Meifert              LT Karlsruhe 9            6:59:04