Umweg zum Heidelberger Schloß

Diesen Sonntag habe ich etwas Gewöhnliches getan, zumindest kann man bei 2.600 Teilnehmern von keiner ungewöhnlichen Gestaltung des Sonntagmorgen reden.

Gewöhnen muß ich mich im nachhinein vor allem an eines: Bergablaufen.

Warum in die Ferne schweifen, wenn man sich so nah und preiswert "quälen" kann ?

In meinem Laufverein fährt man lieber in die Schweiz, um in Bern nicht einmal ein Viertel der Höhenmeter zurückzulegen. Die Hauptanstiege in Heidelberg haben alleine 300 Höhenmeter, die stärksten Steigungen liegen jenseits der 10%-Marke.

Der angekündigte Regen im Wetterbericht wurde Opfer der Statistik, er entfaltete sich rein im Computerspeicher. So war es eine Freude morgens wenige Meter von der Wohnung meiner Tante zum Start zu joggen. Sonnenschein bei Morgenkühle - ideale Laufvoraussetzungen.

Aus dem grünen Block der Tempobolzer ging es mit Umwegen zur Alten Brücke. Wichtigste Änderung dieses Jahr war angeblich, die Läufer nicht gleich in den Philosophenweg in die Selbstauflösung in eigener Milchsäure zu schicken. Am Neckar und in Neuenheim bei völlig blauem Himmel nahm ich diese ersten 7km bzw. 26min gerne als Einlaufen an und sammelte viele ein, die sich schon vor den eigentlichen Anstrengungen in Atemnot brachten.

Bis zu diesem Zeitpunkt mußte ich mir über Atmung und Wasserverbrauch keine Gedanken machen. Die Einteilung erwies sich aber schnell als vernünftig, der Philosophenweg bei Sonnenschein hat etwas von einer Zitronenpresse. Viele fleißige Anfeuerer erleichterten jeden Läufer um Gedanken über Tun und Lassen.

Der lange Weg im frühlingsgrünen Wald mit Neckar- und Schloßblick danach ist eine verdiente Reha-Maßnahme. Geschwindigkeitsrekorde werden auf diesem Boden unberührt bleiben. Nach Schlierbach-Ziegelhausen hin kommt dann die Zeit für Bungee-Jumper. Es geht im freien Fall hinab. Auf Waldboden ist das noch ein Vergnügen.

Kaum ist man hinaus aus dem Wald kommt das Unerwartete: es geht erneut fast senkrecht an einer Alm hoch. Mit einem Schild "200m Wasser" sollte wohl wenigstens ein stützender Anreiz gegeben werden. Eine Kette keuchender Gestalten erklomm im Gänsemarsch diese Stelle. Bei km 10, nach mehr als 200 Höhenmetern und knapp unter 40min gönnte ich mir einen Becher Wasser.

Zum Ort selbst hinunter führen Serpentinen aus Asphalt. Gang rein, Gang raus - eine ungewohnte Übung für meine Beinmuskulatur. Unten angekommen hatte ich das Gefühl, mehrmals von einem Balkon auf eine Straße hinab gesprungen zu sein. Meine Waden waren verärgert über den vergessenen Fallschirm und teilten mir mit, ab jetzt eingefaltet weiter zu laufen.

Man weiß es vorher, man ahnt es auf der Neckarbrücke: es geht gleich wieder hoch. Vor dem Anstieg kommt der letzte Getränkestand, bei dem ich in aller Ruhe stehend tankte und von älteren Passanten mit den Worten bedacht wurde: "und jetzt gibt der auf !"

Irgendwie überwindet man auch diese Steigung und kann leicht fallend auf das Schloß zulaufen. Bei etwa km 19 sieht man das Schloß aus nächster Nähe - das hätte man auch einfacher haben können. Im Karacho geht es Richtung Marktplatz, von dort zum Zielkanal am Uniplatz.

Eine sehr schöne Strecke gesäumt mit sehr viel mehr Zuschauern, als ich jemals erwartet hätte, lag hinter mir. Vor mir lag der Muskelkater ...

Ich kann allen Laufbegeisterten empfehlen in Heidelberg teilzunehmen !

Ortwin

PS: Für die, die es unbedingt wissen wollen: Kirsten wurde 7te Frau und hat den Tausendsten Rucksack gewonnen - und hat genauso Muskelkater; Oldie-Dobermann Miro blieb zu Hause - und versteht nicht, warum die Affen so schlapp sind; ich wurde 40ter, bekam also bei der Siegerehrung nichts und mußte mich auf und an der Strecke bereichern ...