Hallo, liebe Lauffreunde,

ja, ich habe es getan!!

Heute Mittag um 12.30 war alles vorbei, ich lebe noch, und es geht mir gut, sehr gut sogar. Die Monate der Vorfreude lösen sich nun auf in das runde Gefühl der Bestätigung und Befriedigung. Heute Morgen hieß es früh aufstehen, die Veranstalter des 2. Provento-Hunsrück-Marathon hatten den Start auf 8.45  gelegt. Meinen `Kleidersack` mit allen Assessoirs für zielgerichtetes Handeln habe ich bereits am Vortag erhalten, aber es galt, den Shuttle-Bus-Service zu erwischen.

Die Laufstrecke ist kein Rundparcour sondern die ehemalige Bahntrasse Simmern-Koblenz, welche von zweieinhalb Jahren in eine wunderschöne Fahrrad überasphaltiert worden ist. Das Wetter versprach gut zu werden. Angekündigt waren ein Mix aus Wolken und Sonne, mit der Tendenz zu Regen. Als "alter" Hunsrücker weiß man schon, was das heißt: Sonne in Koblenz, Bingen und Mainz, Wolken in Eifel und Hunsrück, und der Regen einen Tag später. Und das schöne daran: man kann sich darauf verlassen, selbst wenn es einem sogar rein passt. Neu dagegen im Hunsrück: die Netto-Laufzeiterfassung durch den Chip am Schuh. Alles ließ planmäßig, der Startschuß für die ca. 350 Läufer in der Marathon - Disziplin gefallen, und ich begann zu laufen, dieser Zustand von in sich ruhen sollte meine nächsten Stunden  bestimmen.

 Ich war übrigens doch etwas aufgeregt davor, allem Gerede von der Nichttrainierbarkeit und mentalen Faktoren zum Trotz. Das ist wohl so, wenn man sich so auf ein Ereignis hinfreut. Ich habe aus der Unsicherheit heraus mich natürlich viel zu weit hinten aufgestellt, und mein erklärtes Ziel: erstens schadlos ins Ziel kommen, und zweitens mich mit einer Zeit unter 4 Stunden beglücken, das habe ich bereits in den ersten 10 km in Frage gestellt. Ich habe mit vielen Kollegen gequatscht, anfangs waren das alles Leute, die auch um 4 Stunden anstrebten. Aber ich empfand dann allmählich, mach was draus, da ist mehr drin. Zwischen Kilometer 10 und 20 leisteten dann vorwiegend Kollegen Gesellschaft, die auf 3.30 liefen, die meisten von denen ließ ich ziehen, deren kraftvoller ruhiger Schritt sagte mir klar, bleib bei deinem eigenen Gefühl ( ich hatte auch keine Uhr dabei). Bei Kilometer 28 wußte ich bereits, daß ich mindestens eine Blase haben werde, bei Kilometer 29 traf ich meine liebe Familie, die mich mit Wasser, Saft, Obst und einer Flüssigkeit, die wie Feuerzeugbenzin gehandelt und verpackt wird, unterstützen wollte. Da es reichlich Verpflegungsstationen gab und ich alle ! in Anspruch genommen hatte, interessierte ich mich dann nur noch für das Feuerzeugbenzin. Der Geschmack kam den Erwartungen entgegen, neu ein paar Schluck, aber ich glaube, das Zeug ist gut. Der Familie konnte ich die frohe Botschaft auf den Weg in den Zielbereich mitgeben: es geht mir gut, richtig gut und ich freue mich an jedem Kilometer. Bei Kilometer 32 hatte ich dann den ersten Kontakt mit der leisen Ahnung, daß auch mein Körper nur endlich ist. Das war immerhin schon etwas, den hier befand ich mich ultimativ zum ersten mal in meinem Leben. Meine drei längsten Trainingsläufe ( April/Juni/Juli) gingen bis 31 km. Ab hier wurde es spannend, den wie oft wurde mir gesagt, der Marathon fängt erst bei 35 an. Es wurde übrigens auch sehr still um mich, zum überholen bot sich niemand mehr an, und auch für mich interessierte sich niemand mehr. Dafür hatte ich die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der vielen anspornenden Zuschauer und einem Meer von nackten Bananenhälften und in der Luft tanzenden Getränkebechern. Kilometer 35 war geschafft, leicht fallender Verlauf gestattete mir weiterhin konzentriertes Voranschreiten, ein `überschauerbarer` Rest ermunterte zusätzlich. Die leise Ahnung von der Endlichkeit nahm nun die Form einer sich einschleichenden Ermüdung im Kopf an. Den angeknabberten Riegel von Kilometer 35 hatte ich noch im Ziel in der Hand.  Ab Kilometer 38 wurde mir klar, da kommt kein Adrenalin-Wölkchen und auch kein Hungerast, das geht jetzt einfach so weiter. Immer noch fast allein auf weiter Flur, boten sich 3 alte Bekannte von Kilometer 25 bis 30 mir als neues Ziel an, aber für mich nicht umsetzbar - daß höre ich schon an dem unbezwingbaren Stakkato der sich nähernden Schritte. Meine Beine beginnen zu schmerzen, am meisten die Fußsohlen, aber auch die ganzen Oberschenkel. Wenn ich langsamer geworden bin, dann kam das aber aus dem Kopf. Wie schön das Schild 40, ansonsten nichts neues, auch nicht auf 41. Die Stadt Simmern ist nur direkt vor mir, das vertraute Gebüsch und die schönen Bachwiesen weichen plötzlich Mauern, Straßenschilder, Polizisten, lückenlose Reihen von jubelnden Zuschauern und schon in der Ferne der Zieleinlauf!!!!!!!

Wow, ich hab's hab's hab's!! Die schleichende Ermüdung kann mich mal, leicht bergab renne ich nochmals los, nur begeistert, keine Schmerzen in den Beinen aber Freude überall. So war's. Toll.

Nur wenige Minuten nach dem Zieldurchlauf ( ich habe irgend etwas mit 3.36 Std), eine Banane und einen Fruchtsaft später sozusagen, verwandeln sich dann meine Beine in ganz unbeholfene und stark schmerzende Beine. Klar. Und wie geht es weiter? Da steht nun eine Zahl. Die wunderbare Unbeschwertheit des ersten Marathon -  die wird es nicht mehr geben.

Ich habe mich unter unserem Lauftreff eingetragen und habe auch unser orangenes T-Shirt angehabt. Auch das war ein gutes Gefühl.

Ingo