Bericht Ironman Muskoka Canada

Nach erfolgreichem Absolvieren meiner dritten Langdistanz am 30.08.2015 habe ich
das Gefühl „kurz“ zusammenfassen zu müssen wie sich der Wettkampf und die Vorbereitung
hierauf gestaltet haben. Nachdem Julia und ich am Mittwoch, den
25.08.2015, in Toronto gelandet sind, machten wir uns am Folgetag in Richtung
Huntsville/Muskoka auf, wo Sonntags der Ironman Muskoka Canada stattfinden würde.
Je näher wir dem Austragungsort in Huntsville kamen, desto schlechter wurde
meine Laune, sodass ich mit Julia fast kein Wort mehr wechselte.
Julia: „Ähm, Steffen... hier geht’s nur hoch und runter.“
Ich: „Verdammt! Das sehe ich selbst!“
Zu meiner großen Überraschung musste ich feststellen, dass es in der Region Muskoka
nicht eine flache Straße gibt. Durch die Höhenmeterangaben des Veranstalters
(2300hm auf dem Rad, 600hm auf dem Marathon) wusste ich zwar bereits im Voraus,
dass es ein ziemlich anspruchsvoller Wettkampf werden würde, die unaufhörlichen
Anstiege, flößten mir in diesem Moment allerdings gehörigen Respekt ein. Zuviel
möchte ich jetzt auch nicht meckern, immerhin war die Schwimmstrecke flach. ;-)
Morgens, um kurz nach 5 Uhr in der Wechselzone angekommen, dann der Schock!
Die hintere Bremse blockierte das Laufrad komplett. Ich weiß nicht genau was nachts
passiert ist, auf jeden Fall hat sich nach einem ordentlichen Zug am Bremshebel einer
der beiden Bremsarme nicht mehr von selbst gelöst. Als ich das Problem selbst
nicht in den Griff bekam, bin ich völlig aufgelöst zu einem Mechaniker gerannt, der
nach 20 Minuten hilflosen Anschauens der Bremse zu dem Schluss kam:
„Sorry, I can’t do anything. Just use the front brake in the race and talk to your
bike dealer at home.“... Na Klasse!
Mit ein bisschen Öl habe ich es dann hingekriegt, dass die Bremse bei leichtem Ziehen
zu und auch wieder auf ging. Mit dem Bewusstsein, dass ich bei dieser anspruchsvollen
und „bumpy“ Radstrecke die Hinterradbremse nicht voll ziehen kann,
musste ich dann binnen 20 Minuten zum Bodypainting, in die zweite Wechselzone,
den Neoprenanzug anziehen und in den Starbereich rennen. Einschwimmen war
dann natürlich nicht mehr möglich.

Renntatik:
Im Fächerbad habe ich zwei Wochen vor dem Wettkampf 1:07:40 für die 3,8 km
Schwimmen gebraucht (ohne Neo). Mit neuem Neo (Topmodell Tri11, welcher mir
von Christian Piri zur Verfügung gestellt wurde) wusste ich, dass 1:05 beim Schwimmen
klappen kann. Zehn Tage vor dem Wettkampf bin ich in einer letzten flachen,
harten Radeinheit 90km in 2:26 h mit Trainingsmaterial gefahren (knapp 37km/h).
Auch wenn mir das flache Radfahren etwas besser liegt, war ich mir ziemlich sicher,
dass ich auch auf dem welligen Kurs eine gute Radperformance abrufen kann. Da
ich meine Konkurrenz im Voraus ausgiebig studiert und auch die Ergebnisse der Mitteldistanz
(die auf dem selben Kurs stattfindet) sehr detailliert angeschaut habe, lag
meine Schätzung bei 9:40h für Platz 3 in meiner Altersklasse und damit dem letzten
zu vergebenden Hawaii Slot.
Also hatte ich folgenden Plan: 1:05 Schwimmen, 5:10 Radfahren und 3:20 Laufen.
Das Wetter versprach bei maximal 27°C optimale Bedingungen.

Schwimmen:
Bei meinen bisherigen Langdistanzen hatte ich beim Schwimmen immer den Gedanken:
„Mach langsam, da kommt heute noch so viel!“ Diesen Gedanken habe ich dieses
Mal völlig über Bord geworfen und mir ein Schwimmen am Limit vorgenommen.
Die Beine werden ja nicht sonderlich belastet ;-).
Am See angekommen hatte ich noch 5 Minuten, um mich durch die Menschenmenge
nach vorne durchzudrängeln. Bei diesem Wettkampf gab es einen „Rolling Swim
Start“, wodurch ein Gerangel im Wasser verhindert wurde. Wie bei Laufveranstaltungen
wurden erst beim Überqueren der Matte die Nettozeiten erfasst, sodass ich erst
drei Minuten nach dem Startschuss das Wasser berührt habe. Der Veranstalter hat in
Abständen von 10 Sekunden 20-30 Leute ins Wasser gelassen. Das verzerrt zwar
etwas den Wettkampf, weil die Abstände nicht mehr eindeutig sind, verringert aber
Schlägereien/Positionskämpfe im Wasser und Gruppenbildung beim Radfahren.
Ich habe es gerade geschafft im 1:00-1:10h Block anzukommen, als auch schon der
Startschuss viel. Bei kleineren Triathlons starte ich normalerweise immer viel zu weit
vorne und werde dann gnadenlos überschwommen. Hier war genau das Gegenteil
der Fall. Leider hat sich kein schnellerer Schwimmer in meiner Nähe positioniert, sodass
ich die 3,8km alleine ohne Wasserschatten schwimmen musste. Es war aber
auch mal ein schönes Gefühl beim Schwimmen die anderen zu überholen ;-). Dass
beim Schwimmen eine 1:01:40 (Platz 14 AK25, Platz 110 Gesamt) rauskam, konnte
ich selbst kaum glauben. Auf dem Weg zur Wechselzone musste ich dann bergauf
bereits meine erste Gehpause einlegen, um meinen Puls zu beruhigen. Wie gesagt:
Schwimmen am Limit.



Radfahren:
Mit der für mich sehr guten Schwimmzeit im Rücken bin ich das Radfahren sehr ruhig
angegangen, mit der Taktik die Anstiege eher gemütlich zufahren um dann auf den
Abfahrten richtig zu drücken. Dies erschien mir die cleverste Methode, um möglichst
konstante Leistungswerte abzurufen. Die Hügel sind nicht besonders hoch, teilweise
aber so steil, dass ich des Öfteren mein 28er Ritzel auflegen musste. Dementsprechend
hat die Geschwindigkeit ständig zwischen 15km/h und 60 km/h hin und her
gewechselt.



Bei km 120 habe ich mich dann zunehmend schlechter gefühlt und hatte schon Bedenken
meine Geschwindigkeit halten zu können. Ich weiß nicht genau woran es lag,
aber ab km 150 hatte sich dass Gefühl gedreht, sodass ich die Geschwindigkeit deutlich
erhöhen konnte, die Flucht nach Vorne ergriffen habe und alle anderen um mich
herum abschütteln konnte. Im Nachhinein ein Fehler! Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit
von 34,4 km/h konnte ich mich mit dem Radsplit (5:14:02) auf Platz 6
AK25 (Platz 24 Gesamt) vorarbeiten. Für die notwendigen 5-6 Bremsmanöver habe
ich tatsächlich nur die Vorderbremse verwendet.

   

Laufen:
Raus aus der Wechselzone ein Blick auf die Uhr. Passt genau! Bin im Plan! Jetzt
„nur“ noch einen 3:20h Marathon! Julia rief mir die Platzierung und den Rückstand
auf Platz 1-5 zu. (10mins, 7mins, 5mins, 5mins,3mins). Bei der Renntatik bleibend,
bin ich dann zwischen 4:30 und 4:40 min/km angelaufen. Als ich bei km 12 noch
recht optimistisch den 5.-Platzierten überholte, musste ich ab km 16 feststellen, dass
ich das eingeschlagene Tempo nicht mehr halten kann. Beim Halbmarathon war ich
dann genau bei 1:40h und Julia wollte mir wieder die Zeiten der anderen durchgeben,
die mir dann aber völlig egal waren. Ich musste bereits bei km 21 die ersten
Gehpausen einlegen und mir war bewusst, dass es ein sehr langer zweiter Halbmarathon
wird. In dem Moment habe ich auf deutsch (so dass mich keiner verstanden
hat) den Veranstalter lautstark verflucht. Auch beim Marathon nahm das Auf und Ab
kein Ende. Mit 3:40:46 auf den Marathon war ich äußert unzufrieden, landete am Ende
mit einer Gesamtzeit von 10:02:14 dennoch auf Platz 6 in der Ak25 (Platz 33 Gesamt
von 1137 Startern). Bedingt durch die parallel stattfindende Weltmeisterschaft
über die Mitteldistanz in Österreich war kein Profifeld am Start, was die relativ gute
Gesamtplatzierung erklärt.
Dass 3:20h nicht klappt, hätte ich mir eigentlich auch denken können. Durch die 4
Wochen Laufpause im Juni (Außenbandriss im Sprunggelenk), wusste ich, dass ich
auf einen Marathon nicht optimal vorbereitet war. Im Nachhinein hätte ich die letzten
30km beim Radfahren vielleicht etwas ruhiger angehen sollen. Auch wenn ich beim
Marathon ziemlich gelitten habe und ich mit einer etwas weniger aggressiven Taktik
vielleicht die Sub 10 geschafft hätte, bereue ich die Herangehensweise keineswegs.
Ich musste es einfach probieren! Platz 2 und 3 waren mit 9:38:11h und 9:41:26h
nicht allzu weit weg.

 

Zucker:
Da ich als Diabetiker die Ernährung während einer Langdistanz etwas genauer im
Blick haben muss, wurde ich auch dieses Mal von Nintamed mit der kontinuierlichen
Glucosemessung unterstützt, sodass ich über einen Empfänger der am Rad montiert
war über meinen Blutzuckerspiegel im 5 Minutentakt informiert wurde. Mit meinem
Zucker hatte ich dieses Mal absolut keine Probleme. Bei konstanter Gelzufuhr lagen
die Werte beim Radfahren konstant bei 120mg/dl. Nach exakt 180km war die "Energie"-
Radflasche (50% Gel + 50% Wasser + 3 Esslöffel Iso) leer. Beim Laufen dann
weitestgehend auf Cola umgestiegen sind die Werte auf 160mg/dl angestiegen. Das
ganze Rennen wurde mit 3 Einheiten Basalinsulin (Langzeitinsulin) durchgeführt.

Danksagung:
An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei allen Unterstützern bedanken. An
aller erster Stelle natürlich Julia, die immer an meiner Seite steht und auch dieses
Mal wieder über 10 Std. am Streckenrand jubelnd und mit aufbauenden Worten bereitstand.
Auch nochmals herzlichen Dank an Christian Piri und Silke Freynhagen,
die mich mit ihrem Triathlonequipment (Neo, Fahrradtasche etc.) auf dieser Reise
unterstützt haben. Vielen Dank an Nintamed für die Unterstützung mit dem kontinuierlichen
Glucosemesssystem. Und natürlich auch bei allen Trainingspartnern vom
LT-Karlsruhe und vom Tri-Team SSV Ettlingen für die unzähligen Trainingsstunden
und das schöne Miteinander.

Gruß Steffen.

Jetzt ist erstmal Urlaub J?